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17.11.2023

Bundessiegerin Milena Herdt

Wir gratulieren: Urwälderin Milena Herdt ist erste Bundessiegerin bei den Maßschneiderinnen mit Schwerpunkt Damen geworden.

Jedes Jahr messen sich im Rahmen der „Deutschen Meisterschaft im Handwerk" (früher: „Profis leisten was") in 130 Gewerken Absolventinnen und Absolventen der Berufsausbildungen um den Bundessieg. Der Weg bis dorthin ist ein steiniger: Auf Basis des bewerteten Gesellenstücks müssen die Gesellinnen und Gesellen erst einmal Kammersieger(in) – im Land Baden-Württemberg gibt es acht Handwerkskammern – werden. Diese wiederum können sich auf Landesebene qualifizieren, wo ihr Gesellenstück erneut von einer Kommission bewertet wird. Alle 16 Landessiegerinnen aus Deutschland werden dann zur Bundesebene weitergeleitet – und hier konnte sich die Urwälderin Milena Herdt, welche im vergangenen Jahr ihr Abitur an der Heimschule Kloster Wald machte, durchsetzen und reüssieren. Was für ein Erfolg und was für eine Bestätigung für die hohe Ausbildungsqualität in Wald! Wir sind stolz auf Milena und lassen sie ihre Wahnsinnsreise nochmals selbst in Worte fassen:

Ich besuchte die Heimschule ab der 5. Klasse. Schon bevor die Schnupperwoche in der 8. Klasse stattgefunden hat, war mein größter Wunsch, eine der drei möglichen handwerklichen Ausbildungen auszuüben. Die Entscheidung, die Schneiderlehre zu absolvieren, war schnell getroffen, denn schon in frühen Jahren hatte ich eine große Leidenschaft zu handwerklichen Tätigkeiten entwickelt. Kreative Arbeiten wie Zeichnen, Basteln, Häkeln und auch schon erste Erfahrungen mit der Nähmaschine prägten meine Kindheit. Mit Beginn der Schneiderlehre war mir sofort klar: Das ist genau das Richtige für mich! Jahr für Jahr erhöhte sich der Wissenszuwachs und die Projekte wurden immer anspruchsvoller und die Genauigkeit spielte immer eine noch größere Rolle. Doch die beste Zeit folgte erst noch.

Abitur war abgeschlossen und die ganztägige Lehrezeit stand vor der Türe. Ich konnte es kaum abwarten, mich diesem neuen Lebensabschnitt zu stellen. Die Leidenschaft zum Handwerk wurde von Tag zu Tag noch größer. Ich konnte einfach nicht genug bekommen. Viele lange Abende und Wochenenden verbrachte ich zusätzlich in der Werkstatt und habe eigenständig an den Projekten weitergearbeitet oder zusätzliche Kleidungsstücke gefertigt. Es ist so toll, selbst den Prozess vom gekauften Stoff bis zu einem perfekt sitzenden, maßgeschneiderten Kleidungsstück zu steuern. Nachdem die theoretische Prüfung absolviert war, konnte ich mich von morgens bis abends dem Praxisunterricht voller Hingabe widmen und gezielt auf die praktische Gesellenprüfung hinarbeiten. Als am Freitagabend der Prüfungswoche auf die Minute genau mein Hosenanzug fertig wurde, war die Erleichterung erstmals groß. Dank der herausragenden Unterstützung und Zusammenarbeit mit meiner Ausbilderin Frau Sagel-Ott, ist es mir gelungen mit 100 von 100 Punkten bei der praktischen Prüfung abzuschließen und somit für die Weiterleitung zum Wettbewerb „Die Deutsche Meisterschaft im Handwerk" eingereicht zu werden.

Ich war total glücklich über dieses Ergebnis. Da ich zu vorherigen Teilnehmerinnen an dem Wettbewerb kaum Kontakt und keine Vorstellung davon hatte, wie das alles ablaufen wird, waren die Hoffnungen nicht all zu groß. Klar war mir jedoch sofort, dass ich auf jeden Fall in diesem Bereich weiterhin tätig sein möchte, um meinen Wissenstand zu erweitern und noch viele neue Dinge dazuzulernen. Deshalb habe ich mich dazu entscheiden, gleich im Anschluss an die Lehre meinen Meister zur Maßschneiderin zu absolvieren. Noch während der Ausbildung unterzeichnete ich den Vertag mit der Meisterschule. Über die Sommerferien bin ich umgezogen und begann schließlich Mitte September 2023 mit der Meisterschule. Im Vorfeld an den offiziellen Teil besuchte ich einen zweiwöchigen Intensiv-Schnittkurs, um die wichtigsten Grundlagen zum Schnittzeichen zu erlernen, denn dies ist die Voraussetzung für jedes Bekleidungsstück. Ohne Schnitt geht gar nichts! An der Meisterschule sind viele neue Fächer dazugekommen, so z.B. Berufs- & Arbeitspädagogik, Unternehmensführung & Wettbewerbsfähigkeit, Gründung und Übernahme, Schnittentwicklung und der Praxisunterricht darf natürlich nach wie vor nicht fehlen.

Eine Woche war an der neuen Schule vergangen, als ich Post von der Handwerkskammer Reutlingen erhielte. Ich wurde zur ersten Kammersiegerin ausgewählt, zur Siegesfeier im Dezember eingeladen und darauf hingewiesen, dass ich nun als erste Kammersiegerin zum Wettbewerb auf Landesebene weitergereicht werde. Der Wettbewerb war zu diesem Zeitpunkt schon fast in Vergessenheit geraten, denn seit dem Ende der Lehre sind inzwischen doch schon ein paar Monate vergangen, doch mit diesem Schreiben änderte sich das rasch. Ich habe mich sehr über diesen Sieg gefreut und vermerkte das Datum der Kammersiegerfeier gleich im Kalender. Es blieb spannend, wie es wohl weitergehen wird.

Es vergingen keine vier Wochen, erhielt ich von der Handwerkskammer Stuttgart den nächsten Brief mit der Mitteilung des ersten Platzes auf Landesebene. Die Freude war noch größer als zuvor und mir gab es die völlige Sicherheit, genau die richtige Entscheidung getroffen zu haben, den Meister anzustreben. Interessanterweise fand die Siegesfeier der Landessieger noch vor der Kammersiegerfeier am 04.11.23 statt. Da ich nach wie vor auch an der Meisterschule samstags Unterricht habe, ließ ich mich für die Feier beurlauben, denn solch ein Ereignis wollte ich mir nicht entgehen lassen. Es war ein wunderschöner Abend in Stuttgart mit anschließender Einladung zum Musical-Besuch „Tina Turner". Reiner Reichhold, der Präsident der Handwerkskammer Stuttgart wies in seiner Rede daraufhin, dass sich die Chancen zum Sieg auf Bundesebene nun immer weiter erhöhen. Ohne mir große Gedanken über eine Platzierung unter den besten Maßschneider Deutschlands zu machen, ließen wir den Abend in Stuttgart gemütlichen ausklingen.

Die Meisterschule bietet ebenfalls wie die Heimschule die Möglichkeit an, selbständig nach Unterrichtsende und auch an den Wochenenden in den dafür vorgesehenen Räumen selbständig zu arbeiten. Aktuell steht als nächstes Projekt die Korsage an. Da wir aufgrund der vielen Theoriefächer oft nur einmal die Woche Praxisunterricht haben, muss vieles außerhalb der Unterrichtszeiten selbständig erarbeitet werden. So war ich am 13. November nachmittags beim freien Arbeiten, um die Korsage zur ersten Anprobe vorzubereiten. Mein Handy hatte ich zufällig auf dem Tisch liegen, als ganz unerwartet eine E-Mail von dem Bundesverband des Maßscheiderhandwerks kam. Diese E-Mail beinhaltete die Info, dass ich tatsächlich 1. Bundessiegerin geworden bin. Ich bin fast aus allen Wolken gefallen. Bis heute kann ich es immer noch nicht glauben, diese grandiose Platzierung erhalten zu haben. Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich mich über diesen Sieg freue, ich bin überglücklich! Niemals hatte ich mir nur erträumt, dass ich mit meinem Gesellenstück jemals bis nach Berlin reisen werde! Es ist einfach unbeschreiblich! Die Siegesfeier auf Bundesebene wird den absoluten Höhepunkt der Ausbildung an der Heimschule darstellen. Der Sieg hat mir bestätigt, dass sich die ganzen Bemühungen gelohnt und sich meine persönlichen Ansprüche was Präzision, Detailgenauigkeit, Zielstrebigkeit und Disziplin angeht, ausgezeichnet haben. Ich bin sehr zuversichtlich, dass mir dieser Sieg in meiner Zukunft als
Maßschneidermeisterin viele Vorteile bringen wird.

Gerne möchte ich auf diesem Weg die Gelegenheit nutzen, mich bei all Denjenigen zu bedanken, die mich auf dem Weg zur Bundessiegerin unterstützt und begleitet haben. Ich bin so dankbar, was mir während der Zeit der Ausbildung an der Heimschule Kloster Wald alles mit auf den Weg gegeben wurde! Vielen Dank!"

Foto: KD Busch
Text: André Kiefer (und Milena Herdt)

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